GlasBlasSingBlog - Flaschenmusik aus Konsumentensicht

Sonntag, 22. August 2010

"Wir hatten gestern Kultur - Kacken und F*cken!"

"WARUM BERLIN?" textete bASTA vor Jahren und meinte damit den Wegzug eines der Sänger. Gegen Ende des Liedes nimmt die Sache eine Wendung und Berlin wird gesprengt. Bääämm. Schluss. Ohne die Frage zu beantworten. Das ist hart.

Dabei ist "Warum Berlin?" doch recht einfach zu beantworten. Die entsprechenden Lieder sind auch längst geschrieben. Das von der Luft, das von den langen Nächten in Kreuzberg und auch das mit dem dicken B.
Nach 23 Hauptstadtstunden, zwei GBSQ-Kurzauftritten und einem Abend in der Ufa-Fabrik Open Air sitze ich jetzt in einem chicen neuen ICE und weiß, ich habe wieder alles richtig gemacht. Ich hatte das gute Wetter im Gepäck, habe Toni (meinen Lieblingstourie) getroffen und mit Lisa, diesmal aber ohne Schorsch, in einem prima Hostel in Friedrichshain gepennt.
Naja, und ich habe auch einen halben Tag in der Hitze der großen Stadt verbracht. Am Bahnhof Friedrichstraße, vor einer Bühne, von der aus uns erst ein Fahrstuhlwarteschleifenmusiktrio (bestehend aus exakt vier Musikern) und ein Improcomedytrio (bestehend aus exakt drei Personen) einlullten. Dann gab es Flaschenmusik.
Die Zuschauerresonanz "geht so" zu nennen, ist freundlich aufgerundet. Wer nach den vorangegangenen Acts noch durchgehalten hatte, war entweder eingeschlafen oder hatte einen Sonnenstich. Dankbar sieht anders aus. Auf beiden Seiten.
Die, die da waren, wussten sich allerdings dem Anlass entsprechend zu verhalten und applaudierten, pfiffen und beteiligten sich auch sonst wie vorgesehen. Ich vermute, der Prozentsatz der Mehrfachtäter an der Gesamtzuschauerzahl hatte dem Kutter ähnliche Ausmaße.

Abends an der Ufa-Fabrik fanden wir uns zwischen deutlich mehr Zuschauern und die waren...sagen wir... "anders". Es bot sich die Gelegenheit sozialethischer Fallstudien hautnah am Objekt mit anschließender, abschließender, interner Nachbereitung. Notiz an mich: Um bei einem Kay Ray-Auftritt nicht aufzufallen, lege dir eine feuerrote Microfaserdecke um, trage ein ungewaschenes, beiges T-Shirt, färbe dir die Haare schlecht schwarz oder kombiniere am besten mehrere dieser Verhaltensweisen. Was es nicht alles für Leute gibt. Crazy Scheiß. Die sind im Darwin-Express alle nach der ersten Haltestelle ohne Fahrschein rausgeflogen.
Dem Kellner konnten wir Mut machen, er werde auch den einfacheren Lebensformen sicher bald erleichtert einen guten Heimweg wünschen dürfen. Toi, toi, toi.

Alles was ich jetzt noch schreibe, wäre fies und führte zu weit - also nix wie auf zu einem FAZIT:
Kay Ray trifft mein Humorzentrum nur alle paar Pointen, dann aber mit Nachdruck. ich habe ja nichts gegen flache Sprüche unter der Gürtellinie. Aber viele waren alt, vorhersehbar oder ohne Zusammenhang erzählt. Schade. Nicolic wäre mir eine Solo-Show lang deutlich zu anstrengend. Vielleicht ist das auch nicht meine Kragenweite. Oder meine Musik. Oder beides.
Timo Wopp und Nils Heinrich waren mal wieder gran_di_os. EIN FEST.
Open Air und als Mixed-Show war das ein absolut gelungener Abend.

Darum Berlin.

Der Titel ist übrigens ein Zitat von Nils Heinrich. So stellt er sich die Zusammenfassung des Abends vor. Ich fürchte, dem entspricht mein heutiger Eintrag nur zum Teil.
Seid nicht enttäuscht! ;-)

Sonntag, 8. August 2010

Kleinkunst mit Familienanschluss

Frielendorf-Leimsfeld bringt es bei Wikipedia nur auf einen eher spärlichen Artikel. Luftkurort sei Frielendorf im Schwalm-Eder-Kreis, erfährt man, und von der Lage am Rande des Knüllgebirges.
Aber warum verschweigt uns die Wikipedia die flaschenmusikalische Seite dieses kleinen Dorfes in Hessen? Ich nehme an, es ist pures Understatement. Die Sache ist nämlich die:

Wer ein GlasBlasSing-Konzert besucht und das Glück hat, dies in Leimsfeld (eben diesem Luftkurort, Sie wissen bescheid: beschaulich und so... blabla...) tun zu dürfen, und wer dann noch empfangen wird von den wunderbarsten Gastgebern, die man sich vorzustellen vermag, der schreibt auch gerne mal einen Wikipedia-Artikel um.
Von einem kleinen, rustikal gemütlichen Schützenhaus wäre dann zu lesen, in der sich jedenfalls ergebenden Lobhudelei. Von einer Bar, einem Kicker, einer 100% handgearbeiteten Improbühne, von einem Teich mit Floß, einem Grillhäuschen, halben-Meter-Würstchen und vielen lieben Menschen, die hier ein ganz großartiges Konzert ermöglichen. Eins mit Familienanschluss.
Ein solcher Artikel erregte natürlich Aufsehen, lockte die Massen an, führte zu Staus auf der kleinen Straße hinauf zum Schützenhaus. Es bräuchte Parkplätze, der Dorfpolizist bekäme hektische Flecken, der Bürgermeister wäre gefordert, ein Park & Ride System zu etablieren. Das Dorfleben geriete ganz und gar aus den Fugen.
Aber dann ist da eben dieses Understatement der Frielendorf-Leimsfelder, die nicht prahlen mögen, in der Wikipedia, die sich als gute Gastgeber verstehen, und alles ist anders: Geradezu heimlich und im Kleinen veranstaltet da jemand im Dorf einen Konzertabend, der sich vor großen Sälen nicht zu verstecken hat.
Ohne bei Wikipedia groß zu tönen, was man nicht für ein kulturell höchstenwickeltes Dörfchen ist, ohne Starallüren und beeindruckend unaufgeregt stellt man eine Bühne auf, läd die Crème de la Crème der Pfandmusik ein und feiert los. Und wie!

Petra, Thomas, Yannic, Gerd, Liesel, Lara und der Rest eurer Bande, ihr seid ja unglaublich. Beeindruckend, wie ihr zusammen diese doch ein wenig verrückte Idee, Profiflaschenmusiker in euer Dorf zu holen, nocheinmal umgesetzt habt.
Dieser Abend war großartig! Obwohl die Damen hinter uns geradezu anstrengend extatisch kreischten und "Fritzi, Fritzi, Fritzi, Fritzi" riefen, und obwohl ich mir in der ersten Reihe wie bestellt und nicht abgeholt vorkam. Ich habe das Konzert derart genossen.

Ich weiß jetzt ansatzweise, was für eine Energieleistung hinter diesem Abend steckte und ich weiß leider auch, dass es nicht nur Mühe kostet, so ein Konzert zu stemmen... aber ich hoffe doch irgendwie auf das kleine Wunder, dass es eben doch nicht das letzte GlasBlasSing Konzert in Frielendorf-Leimsfeld war.
Ihr wisst schon: Dieser kleine, beschauliche Luftkurort am Knüllgebirge, an dessen Wikipedia- Artikel man noch das eine oder andere Detail ergänzen könnte. "Frielendorf-Leimsfeld, Flaschenmusikmekka, Hochburg der Gastfreundschaft und Dorf mit den meisten Wunderkerzen pro Einwohner" - mir fielen da schon ein paar Zeilen ein. Aber das wollen wir dem Dorfpolizisten doch besser ersparen. Und mehr Menschen können sich eh nicht drängen, im Schützenhaus.
Belassen wir es also bei dem Wiki-Eintrag - Understatement ist alles.




Montag, 2. August 2010

Heute hier, morgen dort...

Heute endet mein gut dreieinhalbwöchiger Urlaub. Sieben Konzerte hatten wir sehen wollen, oben im Norden. Eins wurde es schließlich, in Wolfenbüttel. Das weckte die Lust, den Urlaub mit einem weiteren Konzert zu beschließen, bevor wir wieder an die Schüppe mussten.
Tonis unvorsichtige Anmerkung, "Kommt doch!" bei Facebook hatte die Nervenbahnen vom Auge zum Hirn noch nicht ganz passiert, da hielten Lisa und ich auch schon ICE-Tickets in der Hand, Dortmund-Berlin und zurück. Habt ihr schonmal im Urlaub, also in der Ferne, den nächsten Urlaub gebucht? Ich könnte mich daran gewöhnen.
Ira passte der Termin leider nicht in den Kram - hat die Gute etwa ein Leben abseits der Flaschenmusik? Ist sie nicht crazy?! Ist sie!

Berlin ist immer wieder anders schön. Die ausgetretenen Touristenpfade, die jeder Berlinbesucher zwangsläufig einmal abzulatschen hat, verlieren mit jedem Aufenthalt mehr ihren Reiz. Man hat Platz in der Reiseplanung für neue Ecken, man kennt alte, auf die man sich verlassen kann und mit etwas Glück wird man sogar ganz reizend überrascht von dieser Stadt. Man kennt sie eben doch nicht, als blöder kleiner Tourist. Und sobald man es sich gegenteiliges einbildet, schwupp, kommt es wieder anders als man denkt.

Toni wohnt in Friedrichshagen. Nicht gerade der Stadtteil, den der Reiseführer mir bei meinem ersten Besuch direkt unter die Nase gerieben hat. Fast schade, denn hier, eine halbe Stunde S-Bahn abseits des großen Getümmels, findet man einen netten Bezirk direkt am Großen Müggelsee, der sicher an warmen Tagen Heerscharen erholungslüsternder Großstädter anzuziehen vermag.
Toni, schön hast du's, mit den Eiscafés, den kleinen Läden, der Seenähe und dem vielen Grün. Lass dir das mal gesagt sein.

Am Samstag Abend hatten wir Lust, uns bei der Open Stage in der Scheinbar überraschen zu lassen. Klein, bunt und ziemlich kultig kommt dieser Laden daher. Wir applaudierten an diesem Abend dem großartigen Jongleur und nicht minder wortgewandten Moderator Timo Wopp, dem überraschenderweise Songs ausprobierenden Bodo Wartke und einigen uns bisher unbekannten und mal mehr, mal weniger ambitionierten Kabarettisten, Poetry Slammern und Comedians, die zumindest teilweise ihr berufliches Glück vielleicht besser abseits der Bühne suchen sollten... ok, das war gemein, aber es war ehrlich.

Sonntag Mittag zog es uns über den Kunstmarkt auf der Oberbaumbrücke, auf ein Kaltgetränk in die Lounge des "Kutters" und abends ins Zebrano, wo eine uns nicht ganz fremde Flaschemusikcombo im Rahmen des "Club Genie und Wahnsinn" einen Kurzauftritt haben sollte.
Nach dem Samstagabend in der Scheinbar hielt ich mich für einigermaßen saunafest, aber was im Zebrano passiert, wenn pro Quadratmeter zwei johlende, klatschende, schnippsende und vor allem schwitzende Menschen bei cirka 200°C gegart werden, kann sich niemand auch nur ansatzweise vorstellen.
Ob ich das Ausbleiben des versprochenen Birkeaufgusses als Reisemangel bei Toni geltend machen kann, muss mein Anwalt noch näher beleuchten.
Außerdem sollte sich auch mal Amnesty International diesem Laden zuwenden. Wenn man schon Hummer nicht mehr lebendig in den Topf werfen darf, wie ist dann so eine Kleinkunstsauna ethisch noch möglich? Aber bei allem Gemäkel steht eines so fest wie das Zebrano heiß ist: So ein Abend schweißt zusammen - klebte ich doch zeitweise an Cathis Knie fest. Ekelhaft.
Ich werfe jetzt meine letzten fünf Euro in die Wortwitzkasse, verabschiede mich und verlinke euch thematisch passend zu dem Lied, dass mir seit Sonntag nicht mehr aus dem Kopf gehen mag. Viel Spaß damit!