GlasBlasSingBlog - Flaschenmusik aus Konsumentensicht

Montag, 10. Mai 2010

"Du machst Musik mit Flaschen, Junge...dann kannste ja wohl auch mit'm Tier sprechen!"

Ich mag ja keinen langen Posts. Ausnahmen bestätigen die Regel.
Eine Woche liegt der Kutter nun zurück. Fühlt sich an wie mehrere Monate. Oder wie gestern. Schwer zu sagen. Jedenfalls Zeit genug, mal revue passieren zu lassen, was da überhaupt los war. Und wieviel davon.
Man stelle sich die Kutter-Lounge wie eine saunaeske Kneipe auf dem oberen Deck eines Ausflugsschiffes vor. Vorn eine Theke, daneben eine mehr oder weniger hin improvisierte "Bühnenprothese" mit eben genug Platz für fünf Mikros und zeitweise noch mehr Menschen und Instrumente. An drei Seiten Fenster, die sich schon nach wenigen Minuten erbarmten, das zu genüge ausgeschiedene Schwitzwasser der Zuschauer an sich zu reißen und vermutlich auf Umwegen der Spree zuzuleiten. Ich bitte, etwaige Überschwemmungen großmütig zu entschuldigen. Hinter der Bühne eine Tür, durch die man in einen kleinen Flur gelangt - kaum breit genug, sein Köfferchen hindurch zu schlörren, eben breit genug, zu seinem Mehrbettzimmer zu kommen, wenn man sich einen Weg über Kabel und Gaffa-Tape, zwischen Kisten, Kästen, Cases und Instrumenten gebahnt und verwirrten Künstlern den Grund seines Backstage-Erscheinens plausibel erklärt hat.
Alles in gemütlich hölzernem Stil gehalten und mit freundlichen Hinweisen versehen, sich ab der Flurmitte nach vorne raus doch bitte leise zu gebärden. Schließlich schlafen hier die Hostegäste. Schorsch - unser liebgewonnener Schotte - zum Beispiel.
Zurück in die Lounge: Aus unserer Sicht linker Hand auf Bierzeltbänken, rechts auf Loungehöckerchen und wahrhaftigen Couches saßen also nahezu ausschließlich flaschenmusikaffine Menschen und jolten, sangen, schukelten, grölten, quietschten und transzendierten sich durch den Abend. Und all das auf Film gebannt von einem Kamerateam, das unaufdringlich draufhielt und zum Ende des Abends mit einem "Kaffeemaschinensolo" selbst noch ins Rampenlicht rückte.
Beste Voraussetzungen für richtig große Kleinkunst, und für fantastische Gäste. Da wären zunächst Carrington-Brown. Zwei in Kreuzberg lebende Briten, die einen Stilmix wagen, den man in dieser Form selten sieht. Nie, eigentlich. Rebecca Carrington verlangt ihrem Cello dabei mindestens soviel Flexibilität ab wie ihrem großartigen Spielpartner Colin Brown. Wir hörten brasilianische Klänge, indische, schottische (inklusive Kilt und Dudelsack), es wurde geschnulzt, gerappt und gemeinsam mit GlasBlasSing der Devil in Disguise sprachlich und stilistisch in alle Richtungen erweitert. Ich muss sagen: Abendfüllend wäre Carrington-Brown nicht unbedingt mein Favorit. Aber so, als "Mixed Show Act" waren sie eine echte Bereicherung. Und um ein Haar hätten sie auch Endies Interview-Fragen verstanden (Nein. Hertha und Union sind wirklich keine Biersorten...), aber so weit reichten die Deutschkenntnisse dann irgendwie doch nicht. Aber hu kährs?
Als zweiten Gast hatten wir die Ehre, Bodo Wartke erleben zu dürfen. Erster Gedanke: Wow, war der entspannt! Als hätte er den kleinen Raum, die darin brodelnde Stimmung und die leicht chaotischen technischen Voraussetzungen vollends genossen. Er gab einen Teil seines Ödipus-Programms zum Besten, plauderte mit Endie und verlas seinen "Brief an Steve". Gemeinsam mit GlasBlasSing spielte er sogar noch drei weitere Stücke. "Lalelilolu", "Andrea" und "Teenager" - es war ein Fest, und nur die unverbesserlichen Perfektionisten dürften an verstimmten Ukulelen, ausgelaufenen Flaschen und verkorksten Ploppeinsätzen herummosern. Mirdochegal. Einen gewissen Chaosfaktor musste man erwarten dürfen. So wahr die Spree nicht in die Ostsee fließt: Der Kutter ist keine von vorn bis hinten durchgestylete Studio-DVD. Und das ist auch gut so. Basta.
Dritter Gast im Bunde war Michael Hatzius bzw. eher noch "die Echse". Eine Handpuppe, die ich wohlwollend als schlagfertig, spontan und ein bisschen gemein charakterisieren möchte. Im besten Sinne. Die Echse sprach ungeniert aus, was andere an diesem Abend nur dachten. Dass hier und da ein Mikro zu wenig oder zuviel auf war, oder dass Bodo mit gelbem Hemd und schwarzer Weste auch bei der Post hätte Karriere machen können zum Beispiel. Dazu kommt, dass die Illusion der Echse fantastisch funktioniert. Obwohl Michael Hatzius das gesamte Spiel über zu sehen ist, ist man schon nach Sekunden so auf die Handlung der Echse fixiert, dass man ihn überhaupt nicht mehr wahrnimmt. Bis, ja bis die Echse ihren "Zottel" hier und da mal zurechtweist oder sich beschwert, er möge ihr bitte nicht ständig in den Nacken spucken. Traf genau meinen Humor - herrlich. Auch Frank hatte es nicht leicht mit dem Tier, ließ er sich doch zwischenzeitlich nicht das Gespräch, aber doch das Mikro entreißen und dann stand er da, etwas einsam, und wusste außer "...Ja..." nichtmehr viel hinzuzufügen. Aber wer kann einer Echse schon böse sein, die so nett "Flaschenkind, verzeih mir!" sagt?! Endie erzählte später, Frank hätte sich die Echse sogar "relativ freiwillig" als Interviewpartner ausgesucht. Verstehe: relativ.
Aber ich schweife ab, also zurück zum Programm. Und zu neuen Klängen. GlasBlasSing "probierte" ganz nach guter alter Kutter-Sitte zwei neue Nummern aus. Ich drücke alle Daumen, dass bitte beide ihren Weg ins laufende Programm finden mögen. Zumindest hätte Deutschland so eine Chance, dem harzer Dialekt ein wenig näher zu kommen und "Worst", "Jörtel" und "Orrn" mit ausreichend bäuerlichem Gesichtsausdruck fehlerfrei zu prononcieren. Und sollte das nicht klappen, so zögen wir aus dem zweiten Stück neue Erkenntnisse über stark und schwach gebeugte Infinitive in Verbindung mit einer unglücklich verlaufenen und zurecht beendeten Liebesbeziehung. Ich spreche in Rätseln! Mehr erfährt, wer's sich live anschaut. Hoffentlich. An uns soll's nicht liegen.
Wäre es nach dem Publikum gegangen, säßen wir sicher noch immer auf der Bierbank und schunkelten, grölten, klatschen und sangen. Aber auf uns hört ja wieder keiner, und so musste der Abend irgendwann ein Ende finden. Ein angemessen schunkeliges und singiges, wie ich doch finde. Derart viele textsicher transzendiere Menschen hat man selten an einem Fleck. Das schreit nach einer Wiederholung. Ganz laut. Ich kann es bis hierher hören.
So saßen wir noch ein wenig zusammen, kamen ins Gespräch, aßen reichlich Kekse (manch einer sogar zartbittere) und genossen den Abend, bis es uns irgendwann, "in aller Herrgottsfrühe" in die Kojen zog.

Wenn Schorsch wüsste, was ihm an diesem Abend entgangen ist...

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